Unsere Erlebnisse im Rago-Nationalpark

Wir hatten in unserem Urlaub 1996 für den 12.07.und 13.07. eine 2tägige Wanderung in den Rago-Nationalpark geplant, uns aber kurzfristig wegen des schlechten Wetters für eine Tagestour entschieden. Doch 1 Tag ist zu kurz für diese fantastische Urlandschaft. 1998 wollten wir nochmals hin, doch das gute Wetter auf den Lofoten überredete uns, dort um 2 Tage zu verlängern. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Der Rago-Nationalpark steht weiterhin ganz oben auf unserer Planungsliste.

11.07.97 Ankunft in Lakshola

Wir verlassen die E6 in Richtung Rago-Nationalpark. Die Nebenstrecke ins abgelegene Tal führt durch einen Tunnel und dann am Tørfjorden entlang, der sich weit in das Tal hineinzieht. Am Fjordende liegt der Øyra-Campingplatz. Unser Ziel ist aber Lakshola am Ende der Stichtraße. Das Tal wird enger und die streckenweise ruhige, dann aber wieder Stromschnellen bildende Laksåga begleitet uns bis zum Øvereng-Campinplatz, den wir gegen 18:00 Uhr erreichen.
( Leider ist dieser Campingplatz mit seinen 6 Hütten inzwischen geschlossen. )

Das Tal endet in einem Kessel, wo linkerhand die paar Häuser von Lakshola liegen. Der Campingplatz ist eher ein Bauernhof mit Hüttenvermietung. In einer Scheune sind die 'sanitären Anlagen' untergebracht. Aber Luxus haben wir hier eh´ nicht erwartet. Die Hütten stehen oberhalb einer Wiese, die direkt an der Flußmündung des Sleipdalselva in die Laksåga liegt. Die Luft ist erfüllt vom Rauschen der beiden wasser- und fischreichen Flüsse. Im Sleipdalen, in das auch ein Wanderweg bis zur Olavsbu führt, kann man den Faulvarsforsen erkennen, der sich in vielen Kaskaden über die glatten Felsen in den Sleipdalselva ergießt. Der Campingplatz wird beherrscht von der gegenüberliegenden nackten, steilen Felswand des Geithola, dem Südwesthang des 714 m hohen Gråfjellet.

Nachdem wir uns in einer der bescheidenen Hütten eingerichtet haben, vertreten wir uns nach dem langen Fahrtag bei einem Abendspaziergang entlang der Laksåga die Füße. Von einer schmalen Brücke am Ortseingang beobachten wir die sich im Fluß tummelnden Forellen. Weiter unten überwindet der Fluß einen kleinen Fall, dessen Donnern durch die engstehenden Talwände verstärkt wird. Otto´s Gesicht macht an diesem Abend starke Bekanntschaft mit den allgegenwärtigen Kriebelmücken. Der Himmel ist stark bewölkt und wir hoffen nur, daß es morgen trocken bleibt.

12.07.97: Wanderung zur Storskogvasshytta und zurück über den Auslauf des Litlverivatnet

Am Morgen wecken uns prasselnde Regentropfen. Doch kurz bevor wir uns entscheiden, die Wanderung ganz ausfallen zu lassen, läßt der Regen nach und vereinzelt blinzelt Blau durch die Wolkendecke.

Gegen 10:35 ist Aufbruch, ohne Schlafsäcke, da wir uns nur zu einer Tagestour entschlossen haben. Vom Campingplatz aus führt ein steiler Weg den Hang hinauf, der dann als schmaler Pfad vom Fluß weg zuerst durch Fichten und dann durch lichten Birkenwald wieder bis an den hier türkisfarbenen Laksåga führt. Die Talwände treten enger zusammen. Rechts erhebt sich die senkrechte Wand des Krubba. Durch Blockwerk geht´s weiter am Fluß entlang.

Nach einer Stunde übergueren wir eine Hängebrücke, um auf das nordseitige Ufer zu gelangen. Das Tal wird weiter und die Flora üppiger. Auch hier verhindern Felsabbrüche ein schnelles Vorwärtskommen und öfters müssen Bäche und morastige Stellen überquert werden. Unvermittelt stehen wir vor der Wand einer 100 m hohen Hängetalstufe. Entlang eines kleinen Rinnsals, das über glatte Felsplatten hinabfällt, erklimmen wir mühsam den Steilhang. Oben angekommen entschädigt der Blick über das mit Fichten bewachsene Flußtal. Nach einer kurzen Rast geleiten uns Holzplanken über Moore, mehr zum Schutz der Landschaft als zum Schutz vor nassen Füßen angebracht. Hier fühlen sich Trollblumen und der Fieberklee, ein Enziangewächs, wohl. Ein kleines Schild weist uns daraufhin, daß wir die Grenze zum Nationalpark überschreiten.

Der Wald wird lichter und gibt den Blick in das Storskogdalen frei. Kleine, mit Wollgras bewachsene Tümpel, säumen den Weg. Auf der gegenüberliegenden Talseite erheben sich die mit Schneefeldern bedeckten Hänge des über 1000 m hohen Litlverivasshamran. Im Südosten stürzt der 250 m hohe Litlverivassfossen als weißes Band ins Storskogdalen.

Die Landschaft ist in ihrer Wildheit einzigartig und nicht mit anderen Gegenden Norwegens vergleichbar. Nah am 100 m tiefen Abgrund zum Laksåga schlängelt sich der Weg durch Kiefernwald und kleine Felsabbrüche müssen überwunden werden. Aus dem Tal dringt das Tosen der beiden Wasserfälle Helligforsen und Trollforsen zu unseren Ohren. Die tiefen grauen Wolken am gegenüberliegenden Berghang deuten auf Regen hin, doch zur Hütte sind es nur noch einige Minuten.

Die am idyllischen Storskogvatnet gelegene Storskogvasshytta ist unbewirtschaftet und steht zur Übernachtung offen. Zur Hütte gehört auch ein Bootshaus, das leider verschlossen ist. Während wir hier rasten, trifft auch der Parkranger mit seinem Hund ein. Wir erfahren von ihm, daß der Rückweg über den südlichen Berghang länger ist als unser bisheriger Weg, aber dafür sei er auch der imposantere Teil der Strecke.

Nach einem Eintrag ins Hüttenbuch besichtigen wir den nahegelegnen 18 m hohen Storskogvassfossen. Kurz oberhalb des Falles überquert eine lange Hängebrücke den Abfluß des Sees. Den roten Markierungen folgend treffen wir nach gut einem Kilometer auf die Abzweigung des Pfades, der weiter nach Osten zur Ragohytta führt, die nur 2 km von der schwedischen Grenze entfernt liegt. Von da aus gelangt man weiter in den Padjelanta-Nationalpark in Schweden. Unser Weg knickt nach Süden ab, führt steil einen Hang hoch und mündet auf einer felsgen Hochebene in 400 m Höhe. Einige Schneefelder an schattigen Stellen erinnern an den letzten Winter.

Nirgendwo sonst in Norwegen haben wir uns so abgeschieden von jeder Zivilisation gefühlt wie in dieser von Gletschern geformten Urlandschaft. Wir hatten vorher über die reichhaltige Tierwelt im Rago-Park gelesen. Elche, Biber, Vielfraß, vielleicht sogar mit viel Glück Bären, nichts davon haben wir gesehen, hier oben waren wir mutterseelenallein. Es war kein negatives Gefühl, sondern wir waren erfüllt von einer tiefen Zufriedenheit, man kann schon sagen euphorisch.

Die Hochebene war mit kleinen Seen durchsetzt und die Gletscher der Eiszeit hatten überall große Felsbrocken zurückgelassen. Nur die vereinzelten roten Markierungen zeigen uns den weiteren Verlauf des Weges.

Wir überqueren den Abfluß des Sølvskardvatnan, unterschätzen die Wassertiefe und erreichen das andere Ufer mit nassen Socken. Der Pfad schwenkt jetzt direkt in östlicher Richtung ab und der einsetzende Nieselregen verwandelt die großen, schräg zum Skorskogdalen abfallenden Felsplatten in Rutschbahnen. Zu allem Übel verlieren wir auch zeitweise den Pfad aus den Augen. Je mehr wir uns dem Abhang zum Storskogdalen nähern, desto grandioser wird der Blick in das Mäandertal des Laksåga. Eine zeitlang verharren wir in ehrfürchtiger Bewunderung vor dieser überwältigenden Landschaft. Wir werden aus "unserer" Welt herausgerissen, als plötzlich zwei entgegenkommende Wanderer hinter einem Felsen auftauchen. Die Realität hat uns wieder!

Auf abschüssigen Felsplatten, entlang des Hanges, nähern wir uns dem Abfluß des großen Litlverivatnet. Und noch einmal steht uns ein großer Augenblick bevor. Hier stürzt der 250 m hohe Litlverivassfossen, den wir vor Stunden vom gegenüberliegenden Berghang gesehen hatten, in die Tiefe. Überspannt wird der Beginn des Falles von einer wackligen Hängebrücke. Die Überquerung verschafft uns einen prickelnden Nervenkitzel. Zur Belohnung kommt jetzt endlich die Sonne durch und verleiht den felsigen Hängen einen goldenen Touch.

Eine Gruppe norwegischer Jugendlicher, die den steilen Hang hinunter kommt, begrüßt uns mit einem freundlichen "Hei, hei" und bleibt bei uns stehen, um auch dieses Lichtschauspiel zu betrachten. Sie haben Schlafsäcke und Angelruten dabei und wollen noch zur Storskogvasshytta, um dort ein paar Tage am See zu verbringen.

Auf großen runden Felswülsten steigt der Weg von 317 auf 420 m Höhe steil bergan, rechterhand immer mit einem weiten Blick ins Storskogdalen. Fjellbirken säumen jetzt den Weg, der sich immer mehr von dem Tal entfernt. Allmählich werden die Beine schwer. Die Zeiger stehen bereits auf 21:00 Uhr. Es geht ermüdend rauf und runter und immer häufiger müssen sumpfige Stellen umgangen werden. So stapfen wir noch weitere 5 km, als es unvermittelt steiler bergab geht und dichter Fichtenwald die Birken ablöst. Im Wald ist es halbdämmrig, der Pfad durch den Regen teilweise sehr rutschig. Plötzlich hören wir ein Auto und sehen kurz danach die Scheinwerfer. Wir haben es geschafft! Wenige Meter hinter der Siedlung Nordfjord stoßen wir auf die Straße nach Lakshola. Doch bis zur Hütte sind es noch 2,5 km.

Um 23:30 Uhr schmeißen wir erschöpft die Rücksäcke auf die Etagenbetten und uns auf die Stühle. Wir müssen noch etwas essen. Es gibt gebratenen Sei.


Eine reich bebilderte Tourbeschreibung bis zur Ragohytta findet ihr auf der Seite Wildnis des Nordens von Thomas Müller.

 

Weiterführende Links zum Rago-Nationalpark:

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